Ich war gestern mit meinem Vater zu einer Untersuchung im Krankenhaus. Ich kannte das Haus noch nicht, und war total gespannt.
So wie ich das sah, war es eine Art Notaufnahme, in der Nähe einer diagnostischen Abteilung.
Und plötzlich höre ich, wie sich zwei Ärzte laut unterhalten. Auf dem Flur, auf dem auch wir Wartenden saßen.
Ich hörte nur Fetzen, in etwa so:
“Wenn da eine Klage ins Haus kommt von Patienten, … die gewinnen ja meist … “ Blablabla.
Ich dachte ich breche ab!
Da stehen diese beiden Halbgötter in Weiß auf dem Flur, und besprechen solche Themen in Anwesenheit von uns. Ich dachte:
“Ach Du Scheiße, was ist das denn für ein Laden? Haben die hier etwa desöfteren Prozesse zu führen?”
Das war der erste Punkt an dem ich dieses Haus nicht besonders vertrauensvoll fand, oder besser gesagt die Hose war schon halbvoll.
Dann gings weiter:
“Du musst Dir immer Handschuhe anziehen. Ich finde das soooo ekelhaft wenn ich da Bazillen an der Hand habe.”
Die anderen Patienten waren so am schmunzeln.
Mein zweiter Gedanke war dann der, ich bin bei der versteckten Kamera! Die Hose war zu ¾ voll!
Wie können zwei Mediziner, die in einem Alter zu sein schienen, in dem man gefühlte 2.375.473 Handschuhe getragen haben muss, eine derartige Konversation betreiben? Vor unseren Ohren?
Krönung des Ganzen:
Eine Schwester telefonierte, so laut dass wir wieder alles hören konnten. Da war eine Aufnahmebogen nicht mehr zu finden, anscheinend weg. Schon allein die Erklärung in welchem Teil der Patientenakte diese zu finden wäre, fand ich total daneben.
Ihr Wortlaut am Telefon:
“Wenn er sich im Bett breitgemacht hat, lass ihn den nochmal ausfüllen.”
Den Name des Patienten hatte ich auch verstanden.
Da war aus bei mir, da war die Hose randvoll. Ich war froh, dass mein Vater seine Hörgeräte nicht trug, und das alles nicht mitbekam. Mein Fazit gestern: Ich werde dieses Haus als Patientin nicht betreten, jedenfalls nicht bei Bewußtsein.
Wie kann medizinisches Personal, welches das Haus bestmöglich präsentieren sollte, sich solche Ausrutscher erlauben? Für gewisse Gespräche sollte man die Türen schliessen, oder sich von den Patienten entfernen. Ich habe mich echt fremdgeschämt für dieses Verhalten.
Und sah mich vor meinem geistigen Auge in einem Bett liegend, die zwei Ärzte erzählen mir dass sie meine Bazillen ekelhaft finden, dass es zum Prozess kommen wird deswegen, und die Schwester deshalb unter meinem Bett rumkrabbelt, weil sie meinen Aufnahmebogen sucht.
Es reden immer alle von Schweigepflicht, dafür musste ich schon unterschreiben als ich meine Lehre anfing.
Manchmal ist davon aber nicht viel zu merken in Praxen/Kliniken. Anmeldungen und Wartezimmer gehen heutzutage oft fliessend ineinander über. Telefonate werden geführt; für die anderen Patienten hörbar. Es wird gefragt warum jemand den Arzt konsultieren möchte; für die anderen Patienten hörbar.
Man bekommt Rezepte, Überweisungen, am besten noch den Inhalt mal kurz erklärt, und das alles für die anderen Patienten hörbar.
Ich möchte nicht, dass jeder weiß warum ich den Arzt sprechen muss. Ich mag es auch nicht, dass mir beispielsweise laut erklärt wird wo der nächste Proktologe ist, oder dass die Pilzsalbe für “untenrum” zuzahlungspflichtig ist. Das ist nämlich für mich dann keine Schweigepflicht mehr.
Genauso benimmt es sich nicht, dass Patienten vor anderen Patienten auf versäumte Zahlungen angesprochen werden. Das klärt man im Sprechzimmer hinter verschlossenen Türen. Mein Bankberater kommt auch nicht in die Schalterhalle gelaufen und brüllt:
“Hey, Wernersche, was ist denn auf dem Konto los? Jetzt aber schnell 5,40 Euro Überziehungszinsen abgedrückt, aber ganz schnell, mein Fräulein.”
Die Banken haben beinahe eine besser eingehaltene Schweigepflicht als die medizinischen Berufe.
Wenn ich mit z. B. mit Patienten telefonieren würde, und da stehen andere Leute, dann sage ich nicht:
“Ist gut Herr Boll-Vlotho, die nächste Hämorrhoidenverödung wieder in 4 Wochen. Und das Problem mit Viagra müssen Sie mit Herrn Doktor selber besprechen, da kann ich nichts zu sagen. Gruß an ihre Frau, die Abstriche auf Clamydien und den weichen Schanker waren in Ordnung. Ihr Sohn muss noch die Prostatavorsorge-Untersuchung bezahlen, richten Sie das bitte dem Stephan aus. Und für die Ulrike liegt hier eine Broschüre zu alternativen Verhütungsmethoden, bei ihrer Aktivität in dem Bereich sicherlich interessant. Also ich meine Ulrike jetzt, nicht Sie.”
Sowas gehört sich einfach nicht, man nennt (für andere hörbar) keine Namen, keine Diagnosen etc. Heutzutage ist das aber anscheinend Gang und Gebe. Von der Tatsache, dass Dinge besprochen werden wie eingangs der Kolumne genannt, ganz zu schweigen.