… und so schob ich meinen alten Bürostuhl erstmal unter den Tisch …

Heute war mein letzter Tag in meinem Büro, im Schreibbüro, Zimmer 2229. Keine Sorge, ich bin nicht arbeitslos, und habe mich beruflich auch nicht komplett umorientiert. Ich habe eine Vollzeitstelle angeboten bekommen und auch angenommen, nach langem überlegen und abwägen, ausdiskutieren und Ratschlägen einholen. Natürlich bleibe ich meiner Lieblings-Rehaklinik treu, ich gehe “nur” in eine andere Abteilung.
Ich bin der totale Sicherheitsmensch, frei nach dem Motto:
Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Bloß nichts wagen, sei zufrieden mit dem was Du hast und setz es nicht aufs Spiel.
Ich habe meinen Job recht gerne gemacht (auch wenn ich manchmal geflucht habe), ich kannte meine Kollegin aus dem Effeff, ich liebte den Ausblick aus unserem Bürofenster.
Ab morgen ist damit erstmal Schluß. Nicht ganz, ich werde für den Schreibdienst auch weiterhin tätig sein, aber mein Schwerpunkt wird ein anderer. Das heißt für mich, viele Dinge neu lernen, mich auf andere Kollegen einstellen müssen, meine 4 Wände, also mein Büro, eintauschen, mich an einen längeren Arbeitstag gewöhnen. Natürlich hat mich dieses Angebot geehrt, natürlich bin ich gespannt auf das neue Aufgabenfeld, natürlich freue ich mich über mehr Geld, und natürlich werde ich bald sagen:
“Das war eine gute Entscheidung. Alles richtig gemacht.”
Nur vor dem Weg dahin graut mir. Ich habe an mich sehr hohe Ansprüche, möchte lieber gestern als heute alles können und beherrschen und meine Arbeit gut machen, besser als gut. Ich möchte das man mit mit mir zufrieden ist, möchte das Team bestmöglich ergänzen. Genau an diesen Punkten verrenne ich mich. Anstatt mir selber Zeit zu geben und Ruhe, setze ich mich unter Druck. Ich habe Bauchweh, die letzten Nächte waren kurz und die Gedanken total wirr. Wie oft sagte ich mir:
“Steffi, bleib ruhig. Du kennst Deine Kollegen, Du kennst den Ablauf im Großen und Ganzen, keiner erwartet von Dir Wunder.” Im Kopf kommst es aber irgendwie nicht an.
Anstatt mich auf eine andere Herausforderung zu freuen, die mir sicherlich Spaß machen wird und die abwechslungsreichen ist wie der vorherige, sind da viele Zweifel und Ängste. Was passiert, wenn ich es nicht schaffe? Was passiert, wenn ich dann arbeitslos werde? Gedanken über Gedanken über Gedanken. Dieser Druck, alleine das Geld zu verdienen und nach Hause zu bringen, wird mir gerade sehr bewußt.
“Ich muss das schaffen, ich darf nicht versagen, davon hängt meine/unsere Existenz ab,” das geht mir dauernd durch den Kopf. Und so schaffe ich mir selber eine negative Grundstimmung. Eigentlich bin ich nicht so, ich kann fast allem etwas positives abgewinnen. Ich weiß, dass man mir Zeit geben wird, dass man sich mir gegenüber genauso verhalten wird wie die letzten 4,5 Jahre. Ich bin mir bewußt darüber, dass ich nicht in eine komplett neue Firma wechsle, keinen führenden Posten übernehme, nicht komplett neue Menschen und komplett neue Aufgaben (kennen)lernen muss.
Als ich heute den Schreibtisch auf- bzw. ausräumte, mit meiner Kollegin die Tür abschloss und das (vorerst) letzte Mal die Treppen von Etage 2 runterging, hatte ich echt Tränchen in den Augen. Auch wenn ich ab und an dort noch tätig bin, ist es trotzdem ein Abschied nach 4,5 Jahren von diesem Platz, von dieser Zeit mit all ihren Geschichten usw. Da werde ich gerne und fast immer melancholisch. Weil wieder eine neue Phase beginnt, ein neuer Abschnitt. Sicherlich lache ich in 6 Monaten, wenn ich diese Kolumne lese. Und sage mir:
“Na Fräulein, wieder mal umsonst verrückt gemacht. Nach 46 Jahren solltest Du Deine Spielchen langsam mal verstanden haben. Denn die Regisseurin bist Du.”
Anmerkung: Ich habe vorgestern und auch heute eine unendlich traurige Botschaft auf dem Profil einer Bekannten gelesen, und mir selber in den Hintern getreten um mir zu sagen:
“Da wartet etwas positives auf Dich, etwas positives! Wie gerne würde diese Frau Deinen Beitrag posten, und ihr Schicksal somit ungeschehen machen können. Also hör auf zu heulen, sei einfach froh und dankbar” …

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