Lehrjahre sind keine Herrenjahre.
01.08., das ist immer der Stichtag für den Beginn der Lehren. Wenn denn die Mädels und Jungs das Glück hatten eine Ausbildungsstelle zu finden. Mein Kurzer durfte heute auch ins Berufsleben starten. Ich bin gespannt. Ausbildungsstätte am Wohnort, zu Fuß zu erreichen: So viel Glück muss man erst mal haben.
Dieses Glück hatte auch ich 1988
Ich wollte schon immer Arzthelferin werden. Das war mein Traum. Die Mädels bei Arztbesuchen zu beobachten war für mich die reinste Freude. Ich habe schon als kleines Mädchen einem nassen Waschlappen „Blut abgenommen“ mit einer leeren Spritze. Diese hatte man mir manchmal geschenkt. Also die Spritzen jetzt, nicht die Waschlappen.
Medizin war immer mein Steckenpferd. Einzelhandel o. ä. hätte ich mir für mich nie vorstellen können. Ich war in Mathe eine totale Pfeiffe! Selbst bei meiner Entlassung aus der Schule waren meine selbst definierten Matheformeln noch Thema. Mancher Mathematiker hätte sich im Grabe umgedreht, wenn er denn meine Hausaufgaben gesehen hätte. Oder meine Mathearbeiten. Über eine 4 habe ich mich immer gefreut wie Bolle. Der Schnitt lag meist im 5-er Bereich. Das war einfach so, da regte sich auch keiner mehr drüber auf.
Früher sagte man: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“
Jau, kann ich unterschreiben. Meine Mutter hat sich damals für mich ganz dolle ins Zeug gelegt, ihr habe ich meine Lehrstelle zu verdanken. In einer total angesagten Praxis am Platz, zwei Ärztinnen und ganz viele Arzthelferinnen.
Da begann auch die Zeit, in der man nicht nur Wissen erlang was den Job betraf, sondern man lernte auch fürs Leben. Ich jedenfalls.
Mit ganz langen Tagen hatte ich durchgehend Probleme. Das war immer der Montag. Ich als „Mittagsschlaf-Tusse“ war an diesen Tagen verraten und verkauft. 7.30 Uhr Arbeitsbeginn, meist 12 Stunden später Feierabend. Mittags gingen wir alle zusammen Mittagessen. Das war eine feine und leckere Sache. Nur schleppte ich mich ab 15 Uhr saumüde durch die Sprechstunde. Wenn es mal nicht so lief und man unkonzentriert war oder Fehler machte, kam „das Gespräch“. Sehr unangenehm. Damit musste ich erst umgehen lernen. Ich weiß nicht, wie oft ich in den 3 Jahren hinschmeißen wollte. Meine Mama war die, die mich zum durchhalten animierte. Zum Glück kann ich heute nur sagen. Ein tolles Gefühl nach 3 Jahren dann seine Ausbildung bestanden zu haben.
Haltet durch
Falls hier junge Menschen mitlesen, welche heute in ihre Berufe starten: Das Leben ist kein Ponyhof. Ihr werdet ab heute anders strukturierte Tage erleben, keine Ferien mehr haben sondern weit weniger Urlaub, auf Kollegen und vielleicht auch Vorgesetzte treffen, mit denen ihr nicht so könnt. Euer Geschick auch im zwischenmenschlichen Bereich ist nun gefragt. Das müsst ihr lernen. Vielen Infos schlagen über euren Köpfen zusammen. Ihr stellt eure Berufswahl vielleicht auch in Frage in den nächsten Wochen oder Monaten: Haltet durch! Ohne Ausbildung steht ihr auf dem Arbeitsmarkt ganz doof da. Oft erleben wir Dinge die hart sind und vielleicht auch weh tun, aber aus denen ihr etwas lernt. Das merkt ihr sicherlich nicht sofort, sondern erst viel später.
Ihr steht nun in der Arbeitswelt und werdet behandelt wie Erwachsene. Man traut euch Verantwortung zu. Die müsst ihr übernehmen. In den nächsten 2 oder 3 Jahren wird euch viel an theoretischem und praktischem Wissen übermittelt. Damit ihr später in der Arbeitswelt all das gelernt habt, um eure Jobs gut machen zu können. Dazu gehören auch Fleiß, Disziplin und Durchhaltevermögen. Man darf mittendrin mal heulen, alles verfluchen, sich überfordert fühlen. Das hat aber ein Ende irgendwann. Wenn ihr zu den Glücklichen gehört, welche einen Ausbildungsplatz gefunden haben, dann zieht das durch. Welche Note unter eurem Abschlusszeugnis steht, interessiert keinen Menschen. Es interessiert, wenn ihr eure Lehren erfolgreich abgeschlossen habt. Dann verdient ihr mehr Kohle, könnt euch fort- und weiterbilden, vielleicht auch Karriere machen. Oder euch nochmals für eine andere Sparte entscheiden, wenn es nicht eure Traumjobs waren. Das kommt in den besten Familien vor. Es ist heutzutage schwer ohne Ausbildung Arbeit zu bekommen. Da werdet ihr auch immer schlechter bezahlt als gelernte Kräfte. Haltet euch das immer vor Augen.
Hier wird sicherlich auch oft ein tröstendes Wort nötig sein
Ich gehe mal davon aus, all das Geschriebene werde ich in den nächsten 3 Jahren auch hier bei uns zu Hause sagen müssen. Unterstützen, animieren, aufheitern, pushen.
Ich grüße jetzt mal die Kira und die Tabea, unsere Lehrlinge welche heute ins 2. Lehrjahr gehen. Was sich diese beiden schon an Wissen angeeignet haben, und wie diese beiden die Abteilungen unterstützen, ist schon fast ungewöhnlich. Für beide war es sicherlich nicht immer einfach, aber schon heute glänzen sie mit Kenntnissen, bei denen ich immer wieder staune. Diese zwei werden sicherlich mal spitzenmäßige Kauffrauen im Gesundheitswesen. Darauf darf sich jeder Arbeitgeber freuen.
An alle Azubis: Viel Glück und Erfolg ab heute. ^^