„Ihr seid die Besten!“

Die Bilder aus dem Harz wie z. B. aus Goslar und Wernigerode oder auch Hildesheim gingen schon an die Substanz. Gerade, wenn man von den Wassermassen nicht betroffen war und gerade wenn einem Mal wieder klar wird, zu was die Natur imstande ist. Und dass der Mensch kaum etwas dagegen ausrichten kann.

Respekt und Anerkennung verdienen dieser Tage all die Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehren, der technischen Unterstützer, auch der Rettungsdienste. Wie lange und ohne Pause standen sie „im Regen“ und versuchten, weitere Schäden aufzuhalten bzw. einzudämmen. Bilder von Schlammlawinen oder überfluteten Innenstädten machen sprachlos. Teilweise waren die Menschen in ihren Städten gefangen, keiner kam mehr raus und keiner kam mehr rein.

Wir kamen noch mit blauem Auge davon

Ich als „Nichtbetroffene“ war schlicht und ergreifend genervt vom ständigen Regen. Vom dunklen Himmel, von der vorsichtigen Fahrweise wegen Aquaplaning, von der Tatsache, dass hier im Haushalt alle Regenschirme verschollen waren. Meine Scheibenwischer haben seit Besitz dieses Autos noch nie so lange so regelmäßig gewischt. Zum Glück ließ ich den Heckscheibenwischer letzte Woche reparieren. Sonst hätte ich schlechte Karten gehabt. Und immer war die Angst im Auto, dass die befürchteten Erdrutsche eintreten. Meine Pendelstrecke ist mit vielen solcher Ecken gespickt.

Obwohl auch hier im Uslarer Land Straßen nicht passierbar waren, manche Wiese einem Badesee ähnelte und die Gefahrenpunkte, welche bei Starkregen fast immer für kurzzeitiges Chaos sorgten, immer mit Sorge betrachtet wurden, kamen wir mit einem blauen Auge davon. Es tröpfelte in ein Zimmer bei uns, das Dach war überfordert mit den Wassermassen. Aber im Vergleich zu den Bildern aus der Altstadt von Goslar war dieses mit Sicherheit das kleinere Problem.

Viele, die gerade jetzt ihren Sommerurlaub genommen haben und nicht verreist sind, stöhnen natürlich über den Wolkenguss von oben. Vorhaben, wie das Ausruhen im Garten, der Besuch im Schwimmbad oder Tagesausflüge fielen aus. Kinder sitzen im Zimmer und schauen sicherlich sehnsüchtig aus dem Fenster. Wir, die arbeiten müssen, haben auch unter dem grauen, dunklen, verregneten Wetter gelitten. Weil einfach kein positives Feeling aufkommt. All die, die nicht betroffen sind, konnten in den sozialen Netzwerken lustige Bilder zum Regensommer 2017 posten. Aber auch nur, weil der Abstand da war und man selber um nichts fürchten musste. Jeder Zweite auf meiner Startseite befasste sich mit dem Thema. Der eine besorgt, der andere amüsiert. So ist das in den sozialen Netzwerken.

Starrte gespannt auf den Pegelstand

Ebenfalls bei Facebook konnte ich auch gut den Anstieg der Weser, welche ich jeden Tag passiere, beobachten. Beinahe stündlich gab es aktuelle Bilder von einigen Anwohnern. Man starrte gespannt auf den Pegelstand und hoffte inständig, dass es nicht zur Katastrophe kommt.

Bei Facebook konnte man auch verfolgen, dass die Schwimmbäder, z. B. hier in der Region, ihren Betrieb einstellen mussten. Da diese von Fördervereinen betrieben werden, bedeutet jeder Regentag ein Minus in der Kasse. Auch die Schiffe, welche zum Ausflug einluden, konnten nicht starten. Aktuelle Filmaufnahmen aus den Krisengebieten ließen uns erahnen, was bei denen abgeht, welche reißendes Dreckwasser vor der Tür hatten. Die ihre Wohnungen nicht verlassen konnten.

So viele Menschen betroffen

Aber all das ist nichts gegen das, was die Menschen erlebt haben und auch noch erleben, deren Keller vollgelaufen sind, auch die eigenen vier Wände. Die Landwirte, welche sicherlich auch voller Sorge in jeden Regentag starteten. All die, die Schaden genommen haben, und auf die in den nächsten Tagen Aufräumarbeiten zukommen, die mit den Versicherungen verhandeln müssen, die vielleicht Dinge verloren haben, die finanziell zu ersetzen sind, aber von den Erinnerungen her nicht. Die sich im Ausnahmezustand befanden und erst wieder in der Normalität ankommen müssen, wenn das Wasser weg ist. Auch die, denen das Unwetter körperlich zusetzte, und die verletzt wurden.

Die in den letzten Nächten nicht schliefen. Nicht zu vergessen, all die, die 12 Stunden oder 24 Stunden oder mehr in ihrer Uniform versuchten oder noch versuchen, denen zu helfen, die direkt betroffen sind bzw. waren. All denen kann man nur danken und wünschen, dass sie zur Ruhe kommen, bevor der Melder vielleicht das nächste Mal geht. Ihr seid so viel wert, das kann man nicht in Worte fassen.

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Warum ich meine Uniform an den Nagel hing

Ich kann nicht mal genau sagen, wie lange ich ehrenamtlich als Sanitätshelferin aktiv war. Recht spät gestartet, mit fast Mitte/Ende 30 Jahren erst, müssen es 8 oder 9 oder 10 Jahre gewesen sein.

Ich fand es immer faszinierend zu sehen, wie all die Einheiten aus Feuerwehr oder Rettungsdienst und anderen Hilfsorganisationen funktionieren. Mit welchem Herzblut gerade die Ehrenamtlichen ihren Job machen. Da mich all die Dinge aus dem medizinischen Bereich total faszinierten und es auch heute noch tun, war der Schritt ins Ehrenamt ein richtiger Schritt.

Ich durfte tolle Kurse besuchen, wurde exzellent ausgebildet, habe interessante Leute kennengelernt und war Teil von spitzenmäßigen Truppen. Ich durfte hinter die Kulissen schauen, habe im zwischenmenschlichen Bereich Erfahrungen machen müssen und dürfen, die mich nicht selten geprägt haben.

Und trotzdem kam der Punkt an dem ich mir eingestehen musste, dass es Zeit ist damit aufzuhören.

Das war der Zeitpunkt, an dem ich jedes Martinshorn und jedes Blaulicht als absolute Gefahr wahr genommen habe.

An dem mir all das Angst machte.

Mich ließen die Geschichten nicht mehr los. Sie verfolgten mich Stunden oder Tage oder Wochen.

Hätte man das verhindern können?“

Wie kam es zu dem Unglück?“

Wie geht es den Betroffenen und den Angehörigen heute?“

Tausende Fragen, die unaufhörlich in meinem Kopf umher geisterten.

Ich war nicht mehr professionell genug. Das muss man in diesem Job aber sein.

Vielleicht kennt es der ein oder andere auch:

Anrufe mit der Frage „sind Sie die Tochter von“ oder „sind Sie die Mutter von“, und es zieht einem den Boden unter den Füßen weg wenn sich ein Krankenhaus oder Rettungsdienst meldet. Grausame Momente, die man nicht vergisst.

Ebenso lässt es einen nicht kalt, wenn Nachbarn durch einen Brand ihre komplette Existenz verlieren.

Wenn andere Nachbarn vom Unfalltod ihrer Tochter informiert werden.

Wenn eine noch recht junge Mama und Ehefrau von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen wird. Ohne Vorwarnung (Das waren private Erlebnisse, keine dienstlichen!)

Ich konnte all das nicht mehr wechseln, nicht mehr verarbeiten, nicht mehr mit Abstand betrachten.

Jeder Anruf, ob ich diesen oder jenen Dienst mit machen kann oder ausrücken im Notfall, ließ mich unwohl fühlen.

Totale Panik vor all dem Schicksal, vor all dem Leid, vor all der Dramatik.

Und irgendwann die Angst nicht richtig zu reagieren, nicht richtig zu handeln.

Panik ist aber ein no go als Teil der Rettungskette.

Ich denke, dass ein wichtiges Kriterium auch die Tatsache ist, dass ich seit vielen Jahren einen Bürojob mache, und nicht mehr in einer Arztpraxis arbeite. Denn dort war ich immer an der Quelle. Gewisse Handgriffe tat man Tag für Tag. Neuerungen im Bereich von z. B. Medikamenten und Diagnostik bekam man total aktuell mit. Fragen bezüglich der Medizin konnte man der Chefin oder dem Chef sofort stellen, und diese wurden auch sofort beantwortet. All das gab mir damals wirklich mehr Sicherheit im Ehrenamt.

Tag X Ende des letztes Jahres war der Zeitpunkt, an dem ich meine Uniform an die Garderobe hing, mein Ehrenamt niederlegte und mich von all dem differenzierte. Danach fühlte ich mich echt etwas befreit. Aber auch etwas wehmütig.

Ich mache mir noch heute in die Hosen, wenn ich ein Martinshorn höre oder das Blaulicht sehe. Weil ich darüber nachdenke, welches Schicksal jetzt gerade Menschen ereilt. Weil ich Angst habe, dass sich jemand in Gefahr befindet, die oder der mir Nahe steht. Das ist weiß Gott keine gute Voraussetzung für den Job „Ehrenamt“.

Es war eine überwiegend tolle Zeit. Niemals möchte ich diese Erfahrung missen. Und die Menschen, die ich dadurch kennenlernte. Genau wie die Momente, die ich sonst nicht erlebt hätte wenn ich an gewisse Dienste oder Begebenheiten denke.

Bleibt zu hoffen, dass sich noch viele junge Menschen finden die in ihrer Tätigkeit bei der Feuerwehr, dem Rettungsdienst und all den anderen Organisationen aufgehen. Die genau richtig sind für diesen Job. Die das „Hobby Ehrenamt“ ausfüllt und die Jahrzehnte ihrer Sache treu bleiben. Weil sie es einfach drauf haben und sich dazu berufen fühlen.

Weil wir euch brauchen!

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Zum Abschluss gab es eine Schokolade

An Tagen wie dem heutigen bin ich doch immer froh in einer Kleinstadt zu leben, in der fast jeder jeden kennt. Wollen wir mal ehrlich sein: Manchmal nervt diese Tatsache ja doch ungemein.

Geplant war, dass ich am Nachmittag zum Aktionstag der Feuerwehr Bodenfelde fahre. Das habe ich auch umgesetzt. Nicht selbstverständlich bei mir, ich tausche am Wochenende wirklich ungerne den Bademantel gegen die Jeans. Also die Chill-Klamotte gegen die Ausgehkleidung.

Es hat sich aber gelohnt. Obwohl das Wetter hätte besser sein können für eine Veranstaltung unter freiem Himmel, war trotzdem was los in Bodenfelde vor dem EDEKA. Total süß wie stolz die kleinen Kinder waren, als sie im Feuerwehrauto saßen und zur Rundfahrt starteten. Programm wurde geboten in Form von Vorführungen. Ob die Veranstalter zufrieden waren und genug Geld im Beutel gelandet ist, weiß ich nicht. Zufrieden war ich aber mit dem Erwerb der „Feuerwehrstracke“, wir haben schon dran lang geschnitten. Lecker, lecker, lecker.

Ich mag bei solchen Veranstaltungen auch immer die Gespräche die sich dann ergeben. Mit guten Bekannten und weniger guten Bekannten. Der Plausch über dies und das und diesen und jenen sind nicht selten das Salz in der Suppe wenn man hier aufgewachsen ist und eben fast jeden kennt.

Weiter ging es am Abend dann in die Sporthalle vom Gymnasium. Da war das Jux-Turnier von der JSG. Ich hatte mir die Spiele der Ü-40-Fraktion raus gepickt. Eigentlich wollte ich ja nicht mehr, war etwas knatschig gegen Abend. Aber ich bekam eine whatsapp mit dem Inhalt „Kommst ja eh nicht, redest immer nur.“ Da bin ich dann aus Trotz hoch gefahren. Hätte ich gewusst welch kulinarischen Dinge dort angeboten werden, hätte ich das Leberwurstbrot weggelassen am Abendbrottisch. Leider konnte ich nur knapp  1,5 Stunden bleiben, aber die Stimmung war so, wie die Stimmung immer ist wenn die Frauen und Männer aus Uslar und den Ortschaften kicken: Bombe! Ich geh mal davon aus, da oben geht jetzt noch die Post ab.

Einkaufen war dann später angesagt im REWE Wiesenstraße. Und da traf ich dann auf jemanden, den ich auch eher seltener treffe. Wie es der Zufall will, standen wir vor der Stracke eines namhaften Schlachters hier aus der Region. Er (also der jemand) suchte den Preis für die Wurst. Ich fand sie. Und sage aus Spaß, dass die ja mehr als gut schmecken muss für über 17 Euro. Man eumelte ein paar Meter gemeinsam durch den Laden, er wühlte in einem Ständer mit hochwertiger Schokolade. Ich sage noch aus Spaß: „Wer sich `ne Mettwurst für 17 Euro gönnt, kann sich auch gleich noch eine Schokolade für 25 Euro mitnehmen. Scheiß drauf!“

Ab zur Kasse und Smalltalk mit der freundlichen Verkäuferin. Thema war irgendwie, wenn Fleisch viel Knochen hat, wie bei Spareribs und chicken wings und so. Die hatte ich nämlich geholt, also einen Beutel chicken wings. Der Herr mit der teuren Stracke schwärmte von Spareribs. Die freundliche Verkäuferin und ich stellten gemeinsam fest, dass wir dieses Kochenkram nicht mögen.

Jedenfalls hatte ich schon bezahlt, der „Strackemann“ war hinter mir und legte seine Ware auf das Band. Und was passierte? Er warf mir einen Beutel der qualitativ hochwertigen Schokolade zu mit den Worten: „Hier, für Dich. Haste auch mal was Gutes.“ Oder so ähnlich. Da hab ich mich wohl gefreut, das war eine total nette Geste. Und so was passiert einem sicherlich nicht in einer Großstadt, in der nur die wenigsten die anderen kennen.

Das war so der rote Faden, der sich heute durch den Tag zog.

Im übrigen kann mir hier auch tolle Dinge erleben die keine Kohle kosten. Ich war über 9 Stunden gut unterhalten, hab für den werten Herrn Vater und Sohnemann in Bodenfelde günstig „Feuerwehrstracke“ geschossen und bin im Besitz von sauteurer Schokolade.

Und: Ich habe ganz viele sportliche Menschen in kurzen Hosen gesehen. Was willste mehr? ^^

(Abgesehen vom Besuch im REWE wurden die Orte/Veranstaltungen, die ich heute aufsuchte, auf ehrenamtlicher Ebene organisiert und umgesetzt. Wie so oft im Uslarer Land).

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