Ein Relikt aus Kindertagen: Die Kittelschürze

Kittelschürzen waren die Uniform der Hausfrau

Als ich heute nach Feierabend durch ein Dorf fuhr, standen am Straßenrand zwei ältere Damen. „Smalltalk am Jägerzaun“.

Abgesehen davon, dass ich dieses Bild der zwei Frauen beim klönen schon recht sympathisch fand, fand ich eine Sache noch sympathischer: Die Kittelschürze, welche eine der beiden trug. Am liebsten hätte ich angehalten, diese Dame in den Arm genommen und gefragt: „Möchten Sie meine Oma sein?“

Da kamen Erinnerungen hoch an meine Kindheit, die 70er und 80er Jahre, die mich den ganzen Tag begleiteten. Denn etwas später sah ich bei Facebook in einer Gruppe die Kindheitserinnerungen thematisiert, wieder eine Kittelschürze.

All die, die so mein Jahrgang sind und älter, werden ihre Omas, Mütter, Tanten und die schrullige Nachbarsfrau von gegenüber auch noch in dieser Schürze kennen.

Es gab damals die Schürze zum umbinden, bei der nur der untere Teil des Körpers, die Beckenregion quasi, bedeckt war. Zum Schutz vor Bratfett zum Beispiel.

Dann gab es noch die Schürze, die auch den oberen Brust-/Bauchbereich abdeckte. Hinten zum binden. Wenn es ganz schick sein sollte, auch gerne mit Rüschen. Natürlich wieder zum Schutz vor Mehlflecken oder vielleicht auch Soßenspritzern beim kochen. Oder wenn der werte Gatte aus der Dorfpinte kam und nach dem 8. Herrengedeck beim sprechen etwas spuckte.

Hardcore war aber die Kittelschürze: Vom Hals über die Arme bis knapp ans Knie standen die Frauen so in der Küche. Durchgehend zu knöpfen war dieser Kittel von oben bis unten. Nicht selten waren die Hausfrauen den ganzen Tag in dieser Kittelschürze zu sehen. Ich kann mich noch an älteren Frauen aus meiner Kindheit erinnern, die ich fast nie ohne diese Schürzen sah. Das war für einige so etwas wie eine zweite Haut.

Ganz spannend war damals der Inhalt der Taschen an den Kittelschürzen. Eine meiner Omas hatte da Bollchen drin, alte Taschentücher, Wäscheklammern, und, und, und. Die sahen so klein aus, hatten aber irgendwie ein Fassungsvermögen wie ein Einkaufswagen. Was manche da ans Tageslicht beförderten, wundert mich noch heute.

Für mich stand und steht die Schürze/Kittelschürze noch heute für „die Uniform der Hausfrau“. Was für den Rettungssanitäter die HAIX (Sicherheitsschuhe) sind, war für die gute, alte Hausfrau eben diese Schürze. Das wirkte so gemütlich, so geordnet, so häuslich.

Ich habe überlegt, ob ich jemals eine besessen habe. Ja, habe ich. Aber nur eine die so den unteren Bereich abdeckte, vom Bauch bis an den Oberschenkel. Hinten zu binden. Mit Rüschen natürlich. Und es ärgert mich, dass ich diese Schürze nicht aufgehoben habe. Nicht wegen der Fettspritzer und so. Nein, einfach aus nostalgischen Gründen. Wobei ich mich frage, was mein Sohn dazu sagen würde. Wahrscheinlich etwas in der Art:

„Alda, Du hast da ein Geschirrtuch am Bauch, mother. Why? “

Er kennt das sicherlich gar nicht mehr. Leider. Schade. Manche Oma hatte da nämlich ein paar Groschen drin. Oder auch eine D-Mark. Oder halt ein Bollchen.

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Von ganz oben nach ganz unten: Meine persönliche Meinung zum Film

Letzte Woche war Gaby Köster im TV zu sehen. Mir war bis dahin nicht wirklich klar, dass ihre linke Körperhälfte nach dem Schlaganfall so arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mir als Raucherin hat das alles echt Angst gemacht. Ein Gastbeitrag von Steffi Werner.

Ihre Äußerungen darüber, wie sie mittlerweile damit lebt, welches ihre Ängste, Sorgen und Nöte waren, wie sie mit dem Schlaganfall und all seinen Folgen umgeht, gingen stellenweise schon unter die Haut.

Ich habe sie in Interviews dieser Tage nicht als unsere große Comedy-Lady wahrgenommen, sondern als stinknormale Frau. Das ist nicht abwertend gemeint, ganz im Gegenteil. Krankheit und Schicksal kennen keinen VIP-Status, sie schlagen ohne Wertung zu. Von jetzt auf gleich. Stellen alles auf den Kopf und zwingen, wie bei Gaby Köster gut zu beobachten, die Menschen zum Reststart. Die Festplatte wird runtergefahren. Vieles ist gelöscht. Einiges kann gerettet werden, anderes ist unwiederbringlich hinüber.

Schlaganfall bekommen nur ältere Menschen? Von wegen!

In dem Film „ein Schnupfen hätte auch gereicht“ waren all die Facetten zu sehen, die ich auch aus meinem Bekanntenkreis kenne. Von Freunden/Kollegen, die ebenfalls Schlaganfälle erlitten haben. Zum Glück in weitaus abgeschwächter Form. Auch sie werden in einem Alter davon heimgesucht, welches nicht annähernd dafür schon zur Risikogruppe gehört. Bis vor vielen Jahren dachte man noch, einen Schlaganfall bekommen nur ältere Menschen. Unsere Omas und Opas – weit gefehlt. Der jüngste Fall in meinem Umfeld war eine junge alleinerziehende Mama vor ein paar Wochen, keine 30 Jahre alt. Zum Glück ohne Folgeschäden.

Gaby Köster hat sich selbst und diese schreckliche Krankheit anscheinend mehr als gut reflektiert, das war an einigen Aussagen ihrerseits zu bemerken. Äußerungen in der Art von „es war meine Lernaufgabe, andere Menschen um Hilfe zu bitten“, sprechen von Tiefgang. Ohne Humor untermalt. Total nüchtern ausgedrückt. Knallharte Konfrontation ihrer Geschichte gegenüber. Das hat sie für mich sehr sympathisch erscheinen lassen.

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RTL Gaby Köster blickt positiv in die Zukunft

Ich habe mehr denn je ein schlechtes Gewissen

Komischerweise beschäftige ich mich dieser Tage mehr mit ihr, als zu den Zeiten, in denen sie noch gesund war – und Erfolge feierte, zu den Topadressen der Comedians gehörte. Man kannte sie, das ist nicht das Thema. Ich konnte allerdings ihre laute Art und Weise nicht immer ertragen. Und habe damals nur am Rande ihr Schicksal verfolgt. Der Film „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ hat mir erstmals genaue Einblicke in die Zeit von und nach Januar 2008 ermöglicht. Weil es mich interessierte. Auch aus medizinischer Sicht.

Gaby Köster wurde mit 46 Jahren von ganz oben nach ganz unten katapultiert. Ich bin heute 46 Jahre alt. Und ich habe nach dem Film und dem Interview mehr denn je ein schlechtes Gewissen, wenn ich an das Fenster in der Küche gehe, um eine Zigarette zu rauchen. Weil es für mich, wie im Interview am Karfreitag zu sehen war, die Hölle wäre, wenn ich eine Tastatur nur noch mit einer Hand bedienen könnte zum Schreiben.

Trotzig reagiert – genau wie ich

Ich fühlte mich ertappt, als der Professor der Rehaklinik, der sie damals behandelte, im nachfolgenden Interview mit Gaby Köster ein wenig wegen des Rauchens meckerte. Gaby Köster, mit leicht nach unten gesenktem Haupt, sich bewusst, dass seine Kritik durchaus berechtigt ist, reagierte etwas trotzig – genau wie ich. Und hatte in dem Moment der Standpauke sicherlich mehr Lungenschmacht denn je.

Anna Schudt als Gaby Köster hat ihre Rolle toll gespielt, es kam dem Original sehr nahe. Ich habe erst in der Reportage nach dem Film bemerkt, dass die Physiotherapeutin aus dem Film, Jasmin Schwiers, die damalige Filmtochter aus „Ritas Welt“ war.

Allen Kritiken zum Trotz, von wegen „Klamauk“, „platte Gags“, „Gefühlskino“, Depri-Stoff“ und all den Überschriften, die jetzt im Netz schon zu lesen sind, hat dieser Film auf eine traurige Tendenz aufmerksam gemacht: Vor einem Schlaganfall/Hirnblutungen sind wir alle nicht gefeit, egal wie alt wir sind. Egal, woher wir kommen und egal, wo wir gesellschaftlich stehen. Egal, ob wir gesund leben oder am Limit. Das Alter der Menschen, die davon heimgesucht werden, sinkt immer weiter. Eine grauenhafte Entwicklung unserer Zeit. Woran es liegt, kann ich nur erahnen.

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