Warum sind die Helden von heute morgen schon wieder vergessen?

Nachdem letzte Woche die tragische Meldung des Brandes in London mit weit über 50 Todesopfern und noch viel mehr Verletzten in den Medien bekannt wurde, waren viele erschüttert über dieses furchtbare Szenario. 

Es dauerte auch nicht lange bis die ersten Bilder der Feuerwehrleute die Runde machten, welche erschöpft vom stundenlangen Kampf gegen die Flammen zu sehen waren. Welche mit Szenarien konfrontiert wurden, die wir uns nicht im entferntesten vorstellen können. Und man fragt sich:

„Wie haben sie es physisch und psychisch über Stunden geschafft, all ihr Wissen und ihre Kraft in diesem grausamen Einsatz zu leisten?“

Männer und Frauen werden als „Heros“ gefeiert

Zu recht werden die Frauen und Männer heute und sicherlich auch in den nächsten Tagen noch als „Heros“, als „Helden“ gefeiert.

In den sozialen Netzwerken gehen diesbezüglich schon seit Tagen Fotos über den Äther, welche auf die Tragödie aufmerksam machen sollen, welche Dank übermitteln, welche unser Augenmerk auf die Arbeit der Feuerwehr (und auch alle anderen Hilfsorganisationen) richten.

Wer die Videoaufnahmen sah als die Kameraden wieder einrückten, und Menschen applaudierend am Straßenrand standen in London, der wird sicherlich eine Gänsehaut verspürt haben: Das war eine Geste, die mehr Respekt und Anerkennung nicht vermitteln konnte.

Warum sind die Helden von heute morgen schon wieder vergessen?

Für mich persönlich ist Respekt all diesen Menschen gegenüber tagtäglich an der Tagesordnung. Weil alle tagtäglich einen tollen Job machen. Seien es die hauptamtlichen Kräfte, seinen es die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.

Nun sind einige Fragen gestattet:

Wie kommt es, dass die Heldinnen/Helden von heute vielleicht nächste Woche schon wieder in Vergessenheit geraten sind?

Wie kommt es, dass vielleicht einige der Menschen, die heute ein Bild der erschöpften Frauen und Männer in London teilten oder noch teilen werden, in 10 Tagen vielleicht nicht mehr daran interessiert sind eine Rettungsgasse zu bilden?

Wie kommt es, dass die, die jetzt für eine Leistung gefeiert werden, in 14 Tagen vielleicht angepöbelt, angegriffen oder gar verletzt werden?

Wie kommt es, dass man sich vielleicht lobend über die Arbeit in London äußert, aber an einer Unfallstelle Bilder und Videos von schwerverletzten Menschen aufnimmt und verschickt/teilt? Bergungs- und Rettungsarbeiten behindert?

Wie kommt es, dass die Arbeit, gerade der ehrenamtlichen Hilfskräfte, schon beinahe als Selbstverständlichkeit angesehen wird?

Und wie kommt es, dass die Reihen im Ehrenamt des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und all den anderen Organisationen immer lichter werden?

Wer erinnert uns an die, die oft keine Feiertage haben?

Wir feiern heute die Helfer(innen) von London, wir feierten in der Vergangenheit die Helfer(innen) aus der Nachbarschaft, vielleicht feiern wir nächsten Monat die Helfer(innen) mit einem ganz anderen Hintergrund aus einem ganz anderen Land.

Zwischen all diesen Tragödien gibt es die kleinen Geschichten, die kleinen Einsätze, die kleinen Heldentaten. Und das nicht selten, und das nicht wenig vor unser eigenen Tür.

Wir erinnern uns an Feiertagen, an langen Wochenende an die, die keinen Feiertag haben, weil sie arbeiten müssen, gerade im Sicherheits- und Gesundheitsbereich. Auch die Feuerwehren betreffend.

Dann sagen wir leise und artig „Danke“, unsere Medien erinnern uns ja daran. „Daumen hoch“, „liken“ und all das Kram, man kennt es zu Genüge.

„Daumen hoch“ ist wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist, dass wir mal raffen, welchen Luxus an Hilfestellung wir hier genießen.

Auch die Leistung, die jeden Tag geleistet wird, muss honoriert werden

Anstatt dankbar zu sein, wie schnell Hilfe vor Ort ist nach der Alarmierung, regen wir uns nicht selten auf über ein zu grelles Blaulicht bei Nacht und ein zu lautes Martinshorn. Und über „Wichtigtuer“, die alles so unendlich dramatisieren. Dass sich diese „Wichtigtuer“ in ihrer Freizeit, an Wochenenden weiter- und ausbilden lassen, um einen bestmöglichen Job machen zu können, darüber denken die wenigsten nach.

Respekt vor all diesen Jobs ist immer dann aktuell, wenn eine verheerende Katastrophe die Runde macht. Respekt ist aber leider nicht immer an der Tagesordnung. Sicherlich ist es angemessen, die Leistung in London zu honorieren, egal auf welchem Weg. Weil sie grandios war.

Aber nicht weniger wichtig wäre sich vor Augen zu führen, dass diese Leistung unmittelbar neben uns jeden Tag geleistet wird. Wenn auch im kleineren Rahmen. Von der Dramatik her aber für Betroffene nicht minder furchtbar. Schicksal ist Schicksal.

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Männer und Frauen für uns ausrücken

Dass wir all diese Hilfsorganisationen unterstützen, könnte durch passive Mitgliedschaften, vielleicht auch durch aktive Teilnahme, aber immer mit Hochachtung derer gegenüber, die 24 Stunden 7 Tage die Woche 365 Tage im Jahr unserer Sicherheit dienen, erreicht werden.

Nicht nur Bilder teilen und sein Entsetzen ausdrücken: Mal darüber nachdenken wie gut versorgt und abgesichert wir hier sind durch unsere Feuerwehren, die Rettungsdienste und alle anderen Hilfskräfte.

Und nein, ich möchte keinesfalls die Leistung der Londoner Feuerwehr schmälern, weiß Gott nicht! Ich möchte nur, dass man sich bewusst wird, dass es keine Selbstverständlichkeit ist wenn Frauen und Männer (auch in ihrer Freizeit) ihre Straßen- Dienstkleidung gegen Einsatzkleidung tauschen wenn der Melder geht. Oder die Sirene. Für jeden von uns. Tag und Nacht. Bei Wind und Winter. An Wochen- und an Feiertagen. Egal wo.

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Warum ich meine Uniform an den Nagel hing

Ich kann nicht mal genau sagen, wie lange ich ehrenamtlich als Sanitätshelferin aktiv war. Recht spät gestartet, mit fast Mitte/Ende 30 Jahren erst, müssen es 8 oder 9 oder 10 Jahre gewesen sein.

Ich fand es immer faszinierend zu sehen, wie all die Einheiten aus Feuerwehr oder Rettungsdienst und anderen Hilfsorganisationen funktionieren. Mit welchem Herzblut gerade die Ehrenamtlichen ihren Job machen. Da mich all die Dinge aus dem medizinischen Bereich total faszinierten und es auch heute noch tun, war der Schritt ins Ehrenamt ein richtiger Schritt.

Ich durfte tolle Kurse besuchen, wurde exzellent ausgebildet, habe interessante Leute kennengelernt und war Teil von spitzenmäßigen Truppen. Ich durfte hinter die Kulissen schauen, habe im zwischenmenschlichen Bereich Erfahrungen machen müssen und dürfen, die mich nicht selten geprägt haben.

Und trotzdem kam der Punkt an dem ich mir eingestehen musste, dass es Zeit ist damit aufzuhören.

Das war der Zeitpunkt, an dem ich jedes Martinshorn und jedes Blaulicht als absolute Gefahr wahr genommen habe.

An dem mir all das Angst machte.

Mich ließen die Geschichten nicht mehr los. Sie verfolgten mich Stunden oder Tage oder Wochen.

Hätte man das verhindern können?“

Wie kam es zu dem Unglück?“

Wie geht es den Betroffenen und den Angehörigen heute?“

Tausende Fragen, die unaufhörlich in meinem Kopf umher geisterten.

Ich war nicht mehr professionell genug. Das muss man in diesem Job aber sein.

Vielleicht kennt es der ein oder andere auch:

Anrufe mit der Frage „sind Sie die Tochter von“ oder „sind Sie die Mutter von“, und es zieht einem den Boden unter den Füßen weg wenn sich ein Krankenhaus oder Rettungsdienst meldet. Grausame Momente, die man nicht vergisst.

Ebenso lässt es einen nicht kalt, wenn Nachbarn durch einen Brand ihre komplette Existenz verlieren.

Wenn andere Nachbarn vom Unfalltod ihrer Tochter informiert werden.

Wenn eine noch recht junge Mama und Ehefrau von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen wird. Ohne Vorwarnung (Das waren private Erlebnisse, keine dienstlichen!)

Ich konnte all das nicht mehr wechseln, nicht mehr verarbeiten, nicht mehr mit Abstand betrachten.

Jeder Anruf, ob ich diesen oder jenen Dienst mit machen kann oder ausrücken im Notfall, ließ mich unwohl fühlen.

Totale Panik vor all dem Schicksal, vor all dem Leid, vor all der Dramatik.

Und irgendwann die Angst nicht richtig zu reagieren, nicht richtig zu handeln.

Panik ist aber ein no go als Teil der Rettungskette.

Ich denke, dass ein wichtiges Kriterium auch die Tatsache ist, dass ich seit vielen Jahren einen Bürojob mache, und nicht mehr in einer Arztpraxis arbeite. Denn dort war ich immer an der Quelle. Gewisse Handgriffe tat man Tag für Tag. Neuerungen im Bereich von z. B. Medikamenten und Diagnostik bekam man total aktuell mit. Fragen bezüglich der Medizin konnte man der Chefin oder dem Chef sofort stellen, und diese wurden auch sofort beantwortet. All das gab mir damals wirklich mehr Sicherheit im Ehrenamt.

Tag X Ende des letztes Jahres war der Zeitpunkt, an dem ich meine Uniform an die Garderobe hing, mein Ehrenamt niederlegte und mich von all dem differenzierte. Danach fühlte ich mich echt etwas befreit. Aber auch etwas wehmütig.

Ich mache mir noch heute in die Hosen, wenn ich ein Martinshorn höre oder das Blaulicht sehe. Weil ich darüber nachdenke, welches Schicksal jetzt gerade Menschen ereilt. Weil ich Angst habe, dass sich jemand in Gefahr befindet, die oder der mir Nahe steht. Das ist weiß Gott keine gute Voraussetzung für den Job „Ehrenamt“.

Es war eine überwiegend tolle Zeit. Niemals möchte ich diese Erfahrung missen. Und die Menschen, die ich dadurch kennenlernte. Genau wie die Momente, die ich sonst nicht erlebt hätte wenn ich an gewisse Dienste oder Begebenheiten denke.

Bleibt zu hoffen, dass sich noch viele junge Menschen finden die in ihrer Tätigkeit bei der Feuerwehr, dem Rettungsdienst und all den anderen Organisationen aufgehen. Die genau richtig sind für diesen Job. Die das „Hobby Ehrenamt“ ausfüllt und die Jahrzehnte ihrer Sache treu bleiben. Weil sie es einfach drauf haben und sich dazu berufen fühlen.

Weil wir euch brauchen!

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