Hochzeit in den 70er/80ern in Allershausen/Uslar
Brauchtum in Allershausen: Hochzeit auf dem Dorf damals – Erinnerungen an Tratsch und Tradition
Als ich letzten Samstag in der Küche stand, hörte ich draußen einen Konvoi hupender Autos. Und wusste sofort, dass da sicherlich zwei Menschen geheiratet haben, und nun die Fahrt zum Ort der Feierei angetreten wurde. Das hat ja bekanntlich Tradition. Und sofort musste ich daran denken, wie Hochzeiten auf den Dörfern gefeiert wurden, als ich noch ein Kind war. Ein Gastbeitrag von Steffi Werner
Hach ja, war das schön. Es war etwas besonderes, wenn eine Dorfbewohnerin oder ein Dorfbewohner in der Hafen der Ehe einlief. Weil man sich ja bestens kannte. Bei der oder dem ein oder anderen freute man sich, bei der oder dem ein oder anderen weniger, bei der oder dem ein oder anderen wunderte man sich nicht selten.
Ich kenne es noch so, dass von dem Ort, an dem sich die Hochzeitsgesellschaft traf (meist das Haus der Braut oder des Bräutigams) Tannen gestreut wurden bis zur Kirche/Kapelle. Ich war als kleines Mädchen immer irrsinnig aufgeregt wenn dieses Schauspiel morgens begann.
Weil man als kleines Mädchen natürlich noch so hochromantisch ist, und sich vor seinem geistigen Auge selber über diesen Teppich aus Tannen graziös schweben sieht. Bei diesem Traum ist es bei mir auch geblieben. Aber das nur am Rande.
Hochzeitszug zur Kirche
Meist versammelte sich das halbe Dorf knapp 30 Minuten vor der Trauung vor der Kapelle. Man wollte ja sehen wie die Braut gekleidet ist und der Rest der Hochzeitstruppe.
Die Glocken wurden angeschmissen wenn sich der Trupp in Bewegung setzte. Ich kenne es noch so, dass die Unverheirateten voran gingen, dann kam das Brautpaar, und dahinter die Verheirateten. Ich würde auch heute noch vorne mitmarschieren. Aber das nur am Rande.
Manchmal ging man mit in die Kapelle um live dabei zu sein, manchmal blieb man draußen stehen. Z. B. wenn der süße Junge aus der 3a auch mit seiner Mama draußen wartete.
Auf die Kohle und die Bollos mit Gebrüll!
Nach ½ Stunde war der Part meist durch, dann ging die Kapellentür auf und das frischvermählte Ehepaar kam freudestrahlend (meistens jedenfalls) aus dem Gotteshaus. Genau dann kam der spannende Teil für uns Kinder: Der Bräutigam warf Bollchen (Bonbons) und Kleingeld auf den Vorplatz. Und wir Kiddies so: Auf die Kohle und die Bollos mit Gebrüll! Das waren zu dieser Zeit ja noch Pfennige und Groschen, nicht dieses elendige Cent-Penunzen-Geld. Den kleinen Mist hätte man gar nicht so schnell greifen können.
Es folgte der allgemeiner Gratulationshype an das Brautpaar, dann kam manchmal eine Kutsche, oder ein geschmücktes Auto, oder aber der Hochzeitstrupp marschierte zu Fuß zur Lokalität der Party. Damals gab es in meinem Dorf noch Gasthäuser/Kneipen. Unvorstellbar.
Sauteures Geschirr für das Brautpaar
Wenn man Geschenke oder Hochzeitskarten abgab, dann bekamen die Erwachsenen einen „Kurzen“ (ich weiß was Sie denken, ich meine aber Schnaps) und wir Kinder Schokoküsse. Doof war nur, dass ich die nie mochte. Für jede Alternative war ich dankbar, ob in flüssiger oder fester Form. „Gib der Steffi mal eine Brause, das verzogene Gör mag keine Schokoküsse!“
Wochen vor der Hochzeit schon konnte man in diversen Haushaltswarenläden Geschenke für das Brautpaar kaufen. Die hatten sich nämlich etwas ausgesucht, meist sauteures Geschirr oder Besteck. Dinge eben, die man für den gemeinsamen Hausstand braucht. Jedes Brautpaar hatte einen Hochzeitstisch. Ganz neugierige Mitmenschen (ich auch!) gingen erst einmal durch den Laden und schauten auf die Tische, wer denn noch so alles heiratet.
Das war ein gefundenes Fressen für die dorftratschenden Hausfrauen. Weil das dann auch Thema war beim Small Talk mit der Kittelschürze beim Straße fegen. Ich erinnere mich noch daran, dass man immer schauen musste was das alles kostet. Wenn das Geschirr so sauteuer war, dass es das familiäre Budget durcheinander brachte, oder man die Nachbarn jetzt nicht so dolle fand, dann gab es halt nur 2 Kuchengabeln oder den Zuckerpott.
Ich habe als kleines Mädchen immer von meinem Hochzeitstisch geträumt. Dazu kam es nie. Aber das nur am Rande.
Dorftratsch über das letzte Fest
Ging es auf der Hochzeitsfeier richtig zur Sache, wurde auf dem Dorf natürlich am nächsten Tag darüber gesprochen.
- „Heini hat sich welche aufgeladen, das glaubste nicht.“
- „Die Meier hat sich beim Essen den Teller so vollgerammelt, das war schon unverschämt.“
- „Der Sohn von Annette und Thomas hat auf den Tisch gekotzt, weil er 15 Schokoküsse gegessen hat.“
- „Also ich gebe den beiden keine 10 Jahre, die passen nicht ein bisschen zusammen. Er soll ja auch nicht ohne sein, hat mir die Meiersche letztens erzählt.“
Heiraten wie früher – ein Traum
Der ganz normale Wahnsinn auf dem Dorf eben. Aber ich habe es geliebt und liebe es heute noch. Und sollte ich mal heiraten, würde ich mich riesig freuen wenn da jemand morgens Tannen streut von meinem Elternhaus bis zur Kirche, wenn sich mein Zukünftiger Kleingeld und Bollchen in die Hosentasche steckt, und wenn der Heini sich auf der Feier welche aufhilft, dass er alleine nicht nach Hause gehen kann. Und natürlich der Hochzeitstisch mit Namen und so. Damit alle was zu reden haben:
„Hier, hast Du schon gesehen? Steffi heiratet, stell Dir das mal vor! In dem Alter! Und dann so einen Typen! Und dann sucht die sich Besteck aus, wo man schon alleine für das Fischmesser Unsummen ausgeben muss. Lass uns das Milchkännchen zusammen kaufen und schenken. Richtig leiden konnte ich die eh nie. Aber das nur am Rande.“ ^^